IR Notes 197 – 30 November 2022
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  Leitartikel
Vorteile von Eurobetriebsräten

Eurofound hat ein neues Arbeitspapier veröffentlicht, worin die Funktionsweise der Eurobetriebsräte in 11 multinationalen Unternehmen (*) bewertet wird. Die Bewertung erfolgte anhand von Fallstudien, die von Astrées und IR Share gemeinsam durchgeführt wurden. Dieser Bericht wird in die Arbeit der Akteure einfließen, die an der derzeitigen Überarbeitung der EBR-Richtlinie beteiligt sind.
Die Interviews wurden mit den Führungskräften und den Vorsitzenden der 11 Eurobetriebsräte getrennt geführt, die deren Aussagen zufolge gut funktionieren. Was sagen uns diese guten Vorbilder? Insgesamt schätzen die EBR-Vorsitzenden in allen untersuchten Unternehmen die Informationen, die ihnen von ihrer Unternehmensleitung übermittelt werden. Die EBR-Vorsitzenden beurteilen den Austausch mit den Entscheidungsträgern - manche kommunizieren direkt mit dem CEO - durchweg positiv. Bei Umstrukturierungen dagegen geben mehr als die Hälfte der EBR-Vorsitzenden an, dass es schwierig sei, rechtzeitig Informationen zu erhalten, um entsprechend reagieren und Stellungnahmen ausarbeiten zu können. Auch 28 Jahre nach Verabschiedung der Richtlinie ist eine Unterrichtung und Anhörung vor der Entscheidung der Unternehmensleitung nicht selbstverständlich - auch nicht für Eurobetriebsräte, die einen guten sozialen Dialog führen. Im Durchschnitt fällt die Bilanz etwas düsterer aus. Was die Bedeutung des Radtke-Bericht bestätigt, der am 30. November dieses Jahres vom Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten des Europäischen Parlaments angenommen wurde und für schärfere Sanktionen bei Nichteinhaltung der Verpflichtungen plädiert. Ziel ist es sicherzustellen, dass die Missachtung von Eurobetriebsräten keine Option mehr ist. Aus der Studie geht hervor, dass manche Unternehmen ihr Unterrichtungs- und Anhörungsverfahren allmählich verbessert haben. Was aber keine Auswirkungen auf die getroffenen Entscheidungen zu haben scheint. Die EBR haben dagegen Ausschüsse eingerichtet, die die Umsetzung der Vorhaben in den Ländern verfolgen und/oder den Verhandlungsführern auf lokaler Ebene nützliche Informationen bereitgestellt. Andererseits zeigen die Fallstudien, dass gesetzgeberische Maßnahmen, so notwendig sie auch sind, nicht ausreichen, um die Rolle der EBR zu stärken. Hier sind alle gefordert, denn ihre gute Funktionsweise hängt von zahlreichen Akteuren ab. Weiterhin ist ihre Mittelausstattung entscheidend für ihre Wirksamkeit.
Trotz der anhaltenden Schwierigkeiten bescheinigt der Bericht den Mehrwert der EBR: Sie unterstützen den sozialen Dialog, vor allem in den Ländern, in denen er nur schwach entwickelt ist, sie tragen zum sozialen Frieden bei und ermöglichen ein Verständnis der Unternehmensstrategie. Zahlreiche Faktoren wirken sich positiv auf ihre Entwicklung aus, die jedoch einzeln betrachtet nicht ausreichen, um Erfolg oder Misserfolg zu erklären. Der Mehrwert des Eurobetriebsrats steigt mit zunehmendem Vertrauen. Zahlreiche EBR haben wichtige Initiativen ergriffen, wie die Einrichtung von Arbeitsgruppen, um ein Thema zu vertiefen, oder gemeinsam mit der Unternehmensleitung ausgearbeitete Texte anzunehmen. Den Mehrwert von Eurobetriebsräten besser zu kommunizieren und gute Praktiken zu teilen sind zwei Maßnahmen, um ihre Funktionsweise zu verbessern und die Gründung neuer EBR zu unterstützen.


(*) Air France KLM, Bayer, Bel, CEZ Group, Club Med, Eiffage, Ericsson, Ferrero, Generali, Ineos, Inditex.

 
  Agenda

 


1. Dezember
Online
Seminar zur Vorstellung der Studie von Visionary und Notus über die Telearbeit und das Recht auf Nichterreichbarkeit, die für die Europäische Kommission durchgeführt wurde. IR Share war an dieser Studie beteiligt und wird einen Workshop leiten.


30. und 31. Januar 2023
Hamburg
(Teilnahme per Video am ersten Tag möglich)
15. Hamburger Fachtagung für Eurobetriebsräte und SE-Betriebsräte, veranstaltet von der EWC Academy. Am ersten Tag geht es um die Überarbeitung der EBR-Richtlinie und um die mit dem EBR von Engie abgeschlossene Vereinbarung zum Schutz der von Bouygues übernommenen Beschäftigten. Außerdem gibt es einen Beitrag der EBR-Vorsitzenden im französischen Pflegekonzern Orpea, die zweimal entlassen und wieder eingestellt wurde. Programm und Anmeldung, Französisch-Deutsch wird gedolmetscht.

 
  Über uns

 


IR Notes erscheint alle 14 Tage in mehreren europäischen Sprachen (Englisch, Deutsch, Französisch, Italienisch und Spanisch) wird von IR Share und seinem Expertennetzwerk herausgebracht. Dieser Newsletter bietet ein europaweites Monitoring zu Arbeitsrecht, Arbeitsbeziehungen und Beschäftigungspolitik. Er kann für einen Betrag von jährlich 248,00 Euro zzgl. MwSt. auf der IR Share-Website abonniert werden


Das Team: Diese Ausgabe wurde erstellt bei Pascale Turlan und Frédéric Turlan.
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  Europäisches Wörterbuch der Arbeitsbeziehungen

Wenn Sie die Inhalte von IR Notes vertiefen wollen, stellen wir Ihnen gerne die Links zum Europäischen Wörterbuch der Arbeitsbeziehungen zur Verfügung, das von Eurofound veröffentlicht und regelmäßig von IR Share, dem Herausgeber von IR Notes, aktualisiert wird. Das Wörterbuch ist auf English, doch die Definitionen der Begriffe lassen sich mit Online-Übersetzungstools leicht übersetzen.

 

IR Share ist ein unabhängiges und nicht parteigebundenes Privatunternehmen, das alle Akteure des sozialen Dialogs in Europa und darüber hinaus informieren und unterstützen will. IR Share stellt seit 2009 die Frankreich Korrespondenten der Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen.

 

In den Schlagzeilen
Mehr Frauen in Führungsgremien

Am 22. November hat das Europäische Parlament den Vorschlag für eine Richtlinie zur Gewährleistung einer ausgewogeneren Vertretung von Frauen und Männern unter den nicht geschäftsführenden Direktoren börsennotierter Gesellschaften und über damit zusammenhängende Maßnahmen angenommen (s. Entschließung und Pressemitteilung des Parlaments). Die Abgeordneten billigten den Standpunkt des Rats (s. Zusammenfassung), nachdem letzterer auf der Grundlage des am 7. Juni erzielten Kompromisstexts (s. Pressemitteilung) am 17. Oktober seine Zustimmung  gegeben hatte (s. Pressemitteilung). Die Richtlinie wird in Kürze im Amtsblatt veröffentlicht. Die Mitgliedstaaten haben zwei Jahre Zeit, die Bestimmungen umzusetzen. 2021 waren die Leitungsorgane der größten börsennotierten Unternehmen nur zu 30,6 % mit Frauen besetzt - mit großen Unterschieden zwischen den Ländern (von 45,3 % in Frankeich, aufgrund verbindlicher Rechtsvorschriften, bis hin zu 8,5 % in Zypern, s. Gender statistics database). Obwohl sich die Lage in der EU allmählich verbessert hat (2016 gab es 23,6 % Frauen in Leitungsorganen gegenüber 8,2 % 2003), scheinen freiwillige Maßnahmen der Unternehmen allein nicht auszureichen - daher jetzt diese Gesetzesinitiative (s. Studie des Parlaments und Zusammenfassung und Gender equality strategy. Nach der Richtlinie müssen börsennotierte Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten spätestens bis zum 30. Juni 2026 eines der beiden Ziele erreicht haben: Mitglieder des unterrepräsentierten Geschlechts besetzen 1. mindestens 40 % der Posten nicht geschäftsführender Direktoren; 2. mindestens 33 % aller Posten geschäftsführender oder nicht geschäftsführender Direktoren.
Unternehmen, die diese Ziele nicht erreichen, müssen ihre Auswahl- und Ernennungsverfahren für Direktoren auf der Grundlage klarer, neutral formulierter und eindeutiger Kriterien anpassen. Bei gleichen Qualifikationen und Kompetenzen wird dem Kandidaten des unterrepräsentierten Geschlechts Vorrang eingeräumt. Einmal jährlich müssen Unternehmen Informationen über die Vertretung von Frauen und Männern in ihren Leitungsorganen sowie die Maßnahmen veröffentlichen, die sie ergreifen, um diese Ziele zu erreichen. Jeder Mitgliedstaat veröffentlicht „auf leicht zugängliche und zentralisierte Weise“ eine Liste der Unternehmen, die eine der Zielvorgaben erreicht haben. Unternehmen, die diese Ziele nicht erreichen, müssen die Gründe dafür nennen und die bereits ergriffenen oder vorgesehenen Maßnahmen darlegen. Die Mitgliedstaaten müssen Sanktionen durchsetzen, die wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sind. Eine gerichtliche Instanz könnte Geldbußen verhängen und/oder einen Beschluss über die Auswahl von Direktoren annullieren oder für nichtig erklären, wenn diese gegen die Vorschriften der Richtlinie verstoßen. 2030 wird die Kommission einen Bewertungsbericht zur Richtlinie erstellen und sich zu einer Ausweitung des Anwendungsbereichs auf nicht börsennotierte Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten äußern. Eine Mitberichterstatterin des Parlaments, die österreichische Abgeordnete Evelyn Regner (S&D), gab in einer Pressekonferenz zu verstehen, dass das Parlament gerne einen Schritt weiter gegangen wäre und KMU und andere Leitungsposten mit aufgenommen hätte. Auch wenn diese Richtlinie auf einem älteren Vorschlag basiert (er wurde 2012 von der Kommission vorgelegt) und im Vergleich mit manchen nationalen Rechtsvorschriften nicht sehr innovativ ist, so stärkt die Verabschiedung zweifelsohne die Forderung nach einem höheren Frauenanteil in allen Führungspositionen. Die Aufgabe der Eurobetriebsräten wird es sein, die Anwendung der Richtlinie zu überwachen und auf deren Ausweitung auf andere Leitungsposten hinzuarbeiten.


1. Mitgliedstaaten
Belgien

Lohnstandard : Auf die von den drei Gewerkschaftsverbänden eingereichte Beschwerde beim ILO-Ausschuss für Vereinigungsfreiheit hat die ILO festgestellt, dass das Gesetz über Lohnstandards (das sogenannte Lohngesetz von 1996) eine Verletzung des ILO-Übereinkommens 98 über das Vereinigungsrecht und das Recht auf Kollektivverhandlungen darstellt (s. Bericht des Ausschusses für Vereinigungsfreiheit). Das 2017 überarbeitete Gesetz sieht alle zwei Jahre die Annahme eines branchenübergreifenden Lohnstandards mit Beteiligung der Sozialpartner vor. Dieser Lohnstandard besteht in der Festsetzung einer Höchstmarge für die Lohnkostenentwicklung, die dann landesweit auf den verschiedenen Tarifverhandlungsebenen Anwendung findet. Die Gewerkschaften sind der Ansicht, dass diese Obergrenze den Sozialpartnern bei den Lohnverhandlungen keine Freiheiten mehr lässt. Die ILO sieht in diesem Gesetz einen Angriff auf die Autonomie der Sozialpartner. Es ist nicht Sache der Regierung, kraft Gesetz die Kriterien festzulegen, nach denen Lohnverhandlungen stattzufinden haben. Folglich fordern die Gewerkschaften die Regierung auf, das Gesetz zu überarbeiten (s. Pressemitteilungen von FGTB und CSC). Die Arbeitgeberorganisationen lehnen eine Änderung des Gesetzes ab und stützen sich auf diese Entscheidung, um ein weiteres Instrument in Frage zu stellen: die automatische Inflationsanpassung aller Löhne und Gehälter, die den Sozialpartnern ihrer Meinung nach ihre Verhandlungsautonomie nimmt.



  • Arbeitsunfähigkeit: Das Gesetz vom 30. Oktober 2022 legt verschiedene Bestimmungen in Bezug auf Arbeitsunfähigkeit fest. Es enthält drei arbeitsrechtliche Maßnahmen im Zusammenhang mit der Arbeitsunfähigkeit des Beschäftigten aufgrund von Krankheit oder Unfall (s. Pressemitteilung).


Spanien

Umweltinformationen : Der Gewerkschaftsbund UGT hat mit Hilfe des Ministeriums für den ökologischen Übergang und die demographische Herausforderung Informationsblätter für Arbeitnehmer und Gewerkschafter erstellt, um diesen die Position der UGT zu den umweltrelevanten und sozialen Herausforderungen im Zusammenhang mit dem ökologischen Wandel zu erläutern. Diese Infoblätter decken 8 Bereiche ab, u.a. den Klimawandel, die Kreislaufwirtschaft und Abfälle sowie ökologische, wirtschaftliche und soziale Nachhaltigkeit. Ziel ist es, dass die Beschäftigten „zur öko-sozialen Vision der Gewerkschaft für einen gerechten ökologischen Wandel beitragen‟ können und „sich an den Maßnahmen beteiligen, die im Rahmen von Tarifverhandlungen und im sozialen Dialog in ihren Unternehmen oder in ihrem Wirtschaftszweig ergriffen werden‟ (s. Pressemitteilung).


Frankreich

Arbeitsmarktreform : Das Parlament hat das Gesetzesvorhaben zu Dringlichkeitsmaßnahmen für die Funktion des Arbeitsmarktes zwecks Vollbeschäftigung endgültig angenommen. Darin werden einige Regeln des Arbeitslosensystems geändert, u. a. können konjunkturabhängig bestimmte Parameter der Arbeitslosenunterstützung flexibler gehandhabt werden. Ferner wird ein Verfahren eingerichtet, wonach ein Arbeitgeber davon ausgehen kann, dass ein Arbeitnehmer, der sich von seinem Arbeitsplatz fernhält, gekündigt hat  (s. Pressemitteilung des Arbeitsministeriums).




  • Europäisches Recht: Am 23. November hat die Regierung ein Gesetzesvorhaben angenommen, mit dem das französische Recht u. a. im Sozial- und Arbeitsbereich an EU-Recht angepasst wird (s. Mitteilung). Der Rechtsakt gewährleistet die Umsetzung der Richtlinien 2019/1158 vom 20. Juni 2019 zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige (IR Notes 112 und IR Notes 124) und 2019/1152 vom 20. Juni 2019 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen (s. IR Notes 89 und IR Notes 101). Er berücksichtigt bestimmte Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union: So muss laut einem Urteil des EuGh die Entlassungsentschädigung eines Arbeitnehmers im Erziehungsurlaub auf Teilzeitbasis auf der Grundlage der vor dem Elternurlaub ausgeübten Vollzeitarbeit erfolgen  (s. IR Notes 120).

  • Verhandlungen zur Verteilung der Wertschöpfung: Am 8. November haben die Sozialpartner branchenübergreifende Verhandlungen über die Verteilung der Wertschöpfung in Unternehmen aufgenommen. Ziel ist eine bessere Beteiligung der Arbeitnehmer an den Unternehmensgewinnen. Die Sozialpartner wurden von der Regierung aufgefordert, drei Schwerpunkte zu setzen: 1. die Vorteile der verschiedenen bestehenden Systeme zur Kapitalbeteiligung (Erfolgsbeteiligung, Gewinnbeteiligung, betriebliche Vermögensbildung, Belegschaftsaktien etc.) vor allem in den kleineren Unternehmen zu verallgemeinern; 2. die verschiedenen Systeme zu vereinfachen und 3. betriebliche Vermögensbildung auf „wichtige Prioritäten von gemeinsamem Interesse“ auszurichten, wie den ökologischen Wandel.


Irland

Recht auf Telearbeit : Die Regierung hat am 9. November die Aufnahme des Rechts auf Telearbeit in das Gesetzesvorhaben über die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben gebilligt, über das das Parlament bis Ende des Jahres abstimmen dürfte/ich würde sagen, das Parlament sollte bis Jahresende darüber abstimmen#. Damit wird die Einführung dieses neuen Rechts, das zuvor Gegenstand eines gesonderten Gesetzesentwurfs war, beschleunigt (s. IR Notes 180). Mit diesem neuen Gesetz erhalten alle Arbeitnehmer das Recht, Telearbeit zu beantragen. Dagegen bleibt das Recht auf sonstige flexible Arbeitsformen wie kürzere oder flexiblere Arbeitszeiten Eltern und pflegenden Angehörigen vorbehalten. Verglichen mit dem ursprünglichen Vorhaben verzichtet die Regierung auf die lange Liste von Gründen, aus denen Arbeitgeber den Wechsel zur Telearbeit verweigern könnten und ersetzt diese durch eine allgemeine Verpflichtung des Arbeitgebers, bei Prüfung eines Antrags sowohl seine Bedürfnisse als auch die des Arbeitnehmers zu berücksichtigen. Gleichzeitig muss der Arbeitgeber einen Verhaltenskodex in Bezug auf flexible Arbeit und Telearbeit befolgen, der gleichzeitig mit dem Gesetz veröffentlicht wird.


> Siehe auch: die Mitteilungen der Regierung und der Gewerkschaft ICTU, die die Zusage der Regierung begrüßt, zwei Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes die Ausweitung des Rechts auf alle flexiblen Arbeitsformen - nicht nur die Telearbeit – auf alle Beschäftigten zu prüfen.



  • Existenzsichernder Lebensunterhalt: Die Regierung kündigte die Einführung eines landesweiten existenzsichernden Lebensunterhalts für Beschäftigte an, der 60 % des durchschnittlichen Stundenlohns betragen soll. Er soll über einen Zeitraum von vier Jahren eingeführt werden. Im ersten Schritt soll der Mindestlohn ab 1. Januar 2023 um 80 % auf 11,30 Euro angehoben werden. Der Mindestlohn wird dann progressiv erhöht, bis er 60 % des durchschnittlichen Stundenlohns erreicht. 2026 wird der existenzsichernde Lebensunterhalt den Mindestlohn ersetzen (s. Pressemitteilung).


Niederlande

Sozialplan für Selbständige : Im Hinblick auf das Vorhaben von Deliveroo, sich vom niederländischen Markt zurückzuziehen, hat die Gewerkschaft FNV mit dem Essenslieferdienst einen Sozialplan vereinbart. Denn ab 30. November werden 9.000 Fahrer ihren Arbeitsplatz verlieren. Die FNV erzielte für alle Fahrer mit mindestens einem Jahr Betriebszugehörigkeit eine Entschädigung von 38 % ihrer Einnahmen der letzten 12 Monate, mit einem Zuschlag je nach Dauer der Betriebszugehörigkeit. Ein seltenes Beispiel für eine Vereinbarung, die eine Gewerkschaft für Selbstständige abschließt (s. Mitteilung).


2. Unternehmen
Europäische Betriebsräte

SVU-Arbeitsgruppen : Die Unternehmensleitung des Baukonzerns Vinci hat mit den Mitgliedern des besonderen Verhandlungsgremiums am 13. September die Verhandlungen zur Überarbeitung der EBR-Vereinbarung abgeschlossen. Die Mitglieder des BVG verhandelten im Auftrag der Europäischen Föderation der Bau- und Holzarbeiter EFBH und des Europäischen Verbands der Führungskräfte in der Bauindustrie (FECC). „Mit der überarbeiteten Fassung werden die EBR-Ressourcen gestärkt und die Arbeit wirksamer“, unterstreicht EBR-Vorsitzende Alexandra Charton (der französischen Gewerkschaft CFDT). Die Vereinbarung, die für die Mitgliedstaaten des Europäischen Wirtschaftsraums und die Schweiz gilt, deckt auch das Vereinigte Königreich ab. Was die Ressourcen angeht, so erhöht sich die jährliche Stundenanzahl für die EBR-Aufgaben der Vorsitzenden von 200 auf 400 Stunden und die des engeren Ausschusses von 120 auf 130 Stunden. Die Stundenanzahl der übrigen Mitglieder bleibt unverändert bei 50 Stunden. Das EBR-Budget wird auf 55.000 Euro jährlich festgelegt, um u. a. Reisen der Mitglieder des engeren Ausschusses in den betreffenden Ländern, eine spezielle Schulung für ein Mitglied des engeren Ausschusses oder auch die Anschaffung eine Computerausrüstung für Stellvertreter zu decken. Einer der wichtigsten Beiträge ist die Einsetzung eines ständigen SVU-Ausschusses, der zweimal im Jahr tagt. Er stellt die ordnungsgemäße Umsetzung der SVU-Verpflichtungen des Konzerns sicher, die in der gemeinsamen Erklärung zur Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz, den Umweltleitlinien und „möglichen anderen künftigen Dokumenten der Arbeitsgruppen“ zum Ausdruck kommen. „Zusätzlich zu diesem Ausschuss“, so Alexandra Charton, „möchte ich auf eine weitere Verbesserung im SVU-Bereich hinweisen, nämlich die Einrichtung von Ad-hoc-Arbeitsgruppen, die zu besonderen Themen arbeiten und deren Funktionsweise und Ressourcen gemeinsam mit der Unternehmensleitung festgelegt werden (Programm, erwartete Ergebnisse etc.).‟ Sie werden „zu Themen im Zusammenhang mit den aktuellen transnationalen Herausforderungen des Konzerns“ arbeiten, wie Gesundheit und Sicherheit, verantwortungsvolle Vergabe von Unteraufträgen oder auch Sorgfaltspflicht. Diese Arbeitsgruppen haben 5 Mitglieder und können konzerninterne Experten einladen oder auch externe Sachverständige, die aus EBR-Mitteln bezahlt werden.



Soziale Verpflichtung und Eindämmung der Fehlzeiten : Am 17. November haben die Unternehmensleitung von Korian und ihr EBR eine gemeinsame Erklärung zur sozialen Verpflichtung und Verringerung von Fehlzeiten angenommen – eine Erklärung, die das Ergebnis von Diskussionen innerhalb der EBR-Arbeitsgruppe zu den Ursachen und Folgen von Fehlzeiten widerspiegelt (s. Pressemitteilung). Sechs große Felder wurden als Ursache für Fehlzeiten ermittelt: Arbeitsbedingungen und Arbeitsumfeld, Qualität des Managements, Arbeitsgewohnheiten, private Situation des Beschäftigten, ungeeignete Arbeitsstelle sowie geistige und körperliche Überlastung. Nach einem Erfahrungsaustausch der Arbeitsgruppenmitglieder aus 6 Ländern konnte eine Reihe von sozialen Verpflichtungen definiert werden. Sie dienen der Eindämmung von Fehlzeiten und umfassen drei Bereiche: Qualität des Managements und Arbeitsatmosphäre; Arbeitsorganisation und Zeitpläne sowie soziale und psychologische Begleitung. Jedes im Konzern vertretene Land wird nun in diesen drei Bereichen Maßnahmenpläne aufstellen. Die Verpflichtungen werden zwei Mal jährlich vom SE-Betriebsrat überwacht, der am 18. November anstelle des EBR getreten ist, nachdem Korian im Juni 2022 in eine SE umgewandelt wurde (s. Pressemitteilung und IR Notes 189). Mindestens zweimal im Jahr erhalten die Gewerkschaften in jedem Land Angaben zu den Fehlzeiten, nach denen sie „die besonders gefährdeten Kategorien nach Geschlecht, Altersgruppe, Betriebszugehörigkeit und Tätigkeit ermitteln können“. Damit soll in diesem Berufsbereich, der einen hohen Personalmangel beklagt, die ungeplanten Abwesenheiten verringert werden, die zu Störungen bei der Arbeit führen können, „was eine Arbeitsüberlastung der anwesenden Beschäftigten zur Folge haben kann“.



Brexit : Das Employment Appeal Tribunal (EAT) (Berufungsgericht für Arbeitssachen) Großbritanniens hat am 4. November ein Urteil in einem Verfahren zwischen der Fluggesellschaft Easyjet und ihrem Eurobetriebsrat gefällt. Die Unternehmensleitung hatte die Zuständigkeit des Central Arbitration Committee (CAC) in Frage gestellt, die erste arbeitsrechtliche Instanz für EBR-Streitigkeiten in Großbritannien. Das Berufungsgericht gibt dem EBR Recht, bestätigt die Zuständigkeit des CAC und entscheidet, dass das nach dem Brexit geänderte britische EBR-Gesetz (TICER) „weiterhin für Eurobetriebsräte gilt, die vor dem Ende der Brexit-Übergangszeit eingerichtet wurden“ (v. Brexit and labour standards).


Länderübergreifende Vereinbarung

Next normal : Die Unternehmensleitung des italienischen Versicherungskonzerns Generali und sein EBR haben am 22. November in einer Plenarsitzung eine gemeinsame Erklärung über eine neue Form des nachhaltigen Arbeitens angenommen. (Anm.d.Red.: Die Erklärung wird nach Überprüfung und Unterzeichnung durch die Parteien online gestellt). Darin werden die Grundsätze für die neuen hybriden Arbeitsmodelle festgelegt, die sowohl Präsenzarbeit am Arbeitsplatz als auch Telearbeit vorsehen. Ferner wird das Recht eingeführt, sich nach dem Arbeitstag komplett vom System und den Arbeitsgeräten abzumelden und außerhalb der Arbeitszeiten oder während der Ruhezeiten nicht auf Mitteilungen des Unternehmens zu reagieren. Der EBR wird die Umsetzung der Erklärung überwachen. „Die Erklärung wird Auswirkungen in den Ländern haben, in denen die Beschäftigten in einer schwachen Verhandlungsposition sind“, so EBR-Vorsitzende Carole Bourner (CFDT). „Dies gilt vor allem in Ländern mit geringer Beschäftigtenzahl sowie für die meisten mittel- und osteuropäischen Länder, wo der soziale Dialog nur schwach entwickelt ist. Beschäftigte und ihre Vertreter werden sich auf diese Erklärung berufen können, um mit ihrer Unternehmensleitung einen Dialog einzuleiten. Die zentrale Konzernleitung wird sich mit den lokalen Geschäftsführungen über die Erklärung austauschen, um einen Dialog einzuleiten.“

 


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