IR Notes 201 – 8 Februar 2023
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  Eine Frage an...
Dennis Radtke Europäischer Abgeordneter (EVP) und Mitglied des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten des Europäischen Parlaments

Was erwarten Sie nach der Annahme Ihres Berichts zur Überarbeitung der EBR-Richtlinie (s. In den Schlagzeilen) in den kommenden Monaten von der EU-Kommission und den Sozialpartnern?
Zunächst einmal bin ich mit dem Abstimmungsergebnis sehr zufrieden. Wir haben eine große Mehrheit erzielt. Damit haben wir der EU-Kommission ein sehr deutliches Signal gegeben, uns Vorschläge für die EBR-Richtlinie vorzulegen. Jedes Mal, wenn das Parlament eine Legislativinitiative angenommen hat, hat die aktuelle Kommission darauf einen Richtlinienvorschlag vorgelegt. Ich erwarte also, dass sie so handelt, wie sie es bei den vorhergehenden Legislativinitiativen getan hat! Sie hat jetzt drei Monate Zeit um zu reagieren. Sie wird dem Parlament ihre Stellungnahme präsentieren und kann das Konsultationsverfahren der Sozialpartner einleiten, bevor sie einen Vorschlag für eine Richtlinie unterbreitet. Es würde mich sehr überraschen, wenn die Sozialpartner zu diesem Thema verhandeln wollen. Der Europäische Gewerkschaftsbund auf der einen Seite war immer sehr klar: Er will eine neue Richtlinie. BusinessEurope dagegen sieht weder den Nutzen einer Richtlinie, noch ihren Mehrwert.
Wir haben der Kommission einen Instrumentenkasten zur Überarbeitung der Richtlinie vorgeschlagen. Wir wollen keine Revolution, vielmehr eine Weiterentwicklung mit neuen Instrumenten, wie Sanktionen, um die Rechte der Eurobetriebsräte zu stärken und die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit zu gewährleisten.  Natürlich erwarte ich nicht, dass die Richtlinie bis zum 31. Januar 2024 überarbeitet ist, denn das würde an ein Wunder grenzen. Wohl aber, dass die Arbeit unter dem Mandat der aktuellen Kommission aufgenommen wird, damit sie ins Arbeitsprogramm der nächsten Kommission nach den Europawahlen 2024 aufgenommen wird. Wir werden natürlich darauf achten, dass sich der Vorschlag der Kommission so nah wie möglich an unserem Bericht orientiert, und wenn das nicht der Fall ist, dann wird das nächste Parlament bei der Prüfung des Vorschlags nachhaken müssen!


Photo: © European Union 2023, source EP

 
  Agenda

 


13. März
Brüssel
Rat „Beschäftigung und Sozialpolitik“


22. März
Brüssel
Dreigliedriger Sozialgipfel


28. April
Budapest
Internationale Konferenz über menschenwürdige Arbeit im digitalen Zeitalter, ausgerichtet von der Fakultät für Arbeitsrecht der katholischen Universität Pázmány Péter mit Unterstützung der Friedrich-Ebert-Stiftung in Budapest (Informationen).


3.-4. Mai
Stockholm
Informelle Ministertagung „Beschäftigung und Soziales“


12. Juni
Luxemburg
Rat „Beschäftigung und Sozialpolitik“

 
  Über uns

 


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In den Schlagzeilen
Erster Schritt auf dem Weg zur Überarbeitung der EBR-Richtlinie

Die Europaabgeordneten haben mit 385 zu 118 Stimmen einen Bericht angenommen, in dem die EU-Kommission aufgefordert wird, bis zum 31. Januar 2024 eine Überarbeitung der EBR-Richtlinie 2009/38 einzuleiten. Begrüßt wird dies von den europäischen Gewerkschaften: Der jahrelange Druck im Rahmen ihrer Kampagne Mehr Demokratie am Arbeitsplatz trägt endlich Früchte (s. Pressemitteilung des EGB). Ziel des Berichts, der von einer großen Mehrheit der wichtigsten Gruppierungen im Europäischen Parlament unterstützt wird - was ihm ein gewisses Gewicht verleiht - „ist nicht, das Rad neu zu erfinden, sondern das bestehende Recht zu stärken und besser anzuwenden“, erläutert Dennis Radtke, Europaabgeordneter (EVP) und Berichterstatter (s. nebenstehend Eine Frage an …). Der Bericht enthält eine Entschließung und eine juristische Anlage mit den verschiedenen Artikeln der Richtlinie 2009/38, die abgeändert werden sollten. Ohne ins Detail zu gehen, soll lediglich noch einmal darauf hingewiesen werden, dass „der Erfolg und die positiven Auswirkungen der Europäischen Betriebsräte ein Vertrauensverhältnis zwischen den Europäischen Betriebsräten und dem Management der Unternehmen erfordern, das auf einem konstruktiven Dialog beruht“. Beeinträchtigungen ihrer Arbeitsweise sind nicht mehr akzeptabel: Anhörung erst, wenn der Arbeitgeber seine Entscheidung bereits getroffen bzw. mit der Umsetzung begonnen hat; die übermäßige Verwendung von Vertraulichkeitsklauseln, um die Wirksamkeit der Rechte auf Unterrichtung und Anhörung zu begrenzen; schwieriger, wenn nicht unmöglicher Zugang zur Justiz; Unwirksamkeit von Bußgeldern bei Verletzung des Rechts auf Unterrichtung und Anhörung etc. Das Parlament will ferner die Errichtung von Eurobetriebsräten fördern, indem die Mittel des besonderen Verhandlungsgremium gestärkt werden und die Frist zur Aushandlung einer Vereinbarung von derzeit drei Jahren auf 18 Monate verkürzt wird. Mit dem Bestreben, Eurobetriebsräte zu stärken, legt das Parlament Vorschläge vor, die Arbeitgeberpositionen entgegenstehen: Bei den Sanktionen wird die Möglichkeit vorgesehen, die Entscheidung des Arbeitgebers gerichtlich auszusetzen, solange der EBR nicht angehört worden ist. Ferner sollen sich die oft unbedeutenden Strafen am Rahmen der DSGVO orientieren: Bußgelder von bis zu 10 Millionen Euro oder 2 % des weltweit erzielten Jahresumsatzes (oder das Doppelte bei vorsätzlicher Verletzung). Die Abgeordneten wollen ferner alle abweichenden Vereinbarungen, vor allem die im September 1994 und 1996 geschlossenen, an die Bestimmungen der künftigen Richtlinie anpassen (s. European Works Councils). Die Ausstattung des Instrumentenkastens, die darauf abzielt, dass Unternehmen Eurobetriebsräte ernst nehmen, ist also sehr umfassend und geht auf einen Großteil der Schwierigkeiten ein, die von den Eurobetriebsräten bei der Anhörung durch die Abgeordneten vorgebracht wurden. Bleibt abzuwarten, was am Ende davon übrigbleibt: Die Kommission wird bei der Prüfung sicherlich eine Auswahl treffen, bevor sie den europäischen Sozialpartnern einen Richtlinienvorschlag im Rahmen der zwei Konsultationsrunden vorlegt, die vom AEU-Vertrag vorgesehen sind. Die Sozialpartner werden sehr wahrscheinlich nicht über die Überarbeitung verhandeln, da die Arbeitgeberverbände diese kategorisch ablehnen. Die Überarbeitung wäre „für den Wettbewerb kontraproduktiv“, so BusinessEurope. Sie könnte die Entscheidungsfindung in den Unternehmen verlangsamen und enthielte „unrealistische Sanktionen“. Sie sei „überflüssig - auch nach Auffassung der Kommission“, fügt der einflussreiche deutsche Arbeitgeberverband BDA hinzu, der die Kommission auffordert, den Grundsätzen der „Better Regulation“ - bessere Rechtsetzung - zu folgen (s. Better Regulation), die lange zugrunde gelegt wurden, um im sozialen Bereich untätig zu bleiben. Die Abstimmung im Parlament ist zwar ein Sieg der Gewerkschaften, aber es wird noch ein langer Kampf, und die im Radtke-Bericht vertretenen Positionen sind schwer zu halten.


1. Europäische Union
Gesetzgebung

Sozialer Dialog soll gestärkt werden : Am 25. Januar legte die EU-Kommission zwei Dokumente vor, um den sozialen Dialog in der EU zu stärken: eine Mitteilung der Kommission und einen Vorschlag für eine Empfehlung des Rates. Wie auf dem Gipfel in Porto im März 2021 angekündigt (s. IR Notes 159), greift diese Initiative Vorschläge aus dem Bericht von Andrea Nahles auf (IR Notes 157).  In der Empfehlung hebt die Kommission die Schwächen des sozialen Dialogs und seiner Akteure in den Mitgliedstaaten hervor und ruft die 27 EU-Länder auf, die Organisationen der Sozialpartner zu stärken, diese vermehrt in die Ausarbeitung von sozialpolitischen Maßnahmen einzubeziehen und Tarifverhandlungen zu fördern (s. Strengthening collective bargaining). In der Mitteilung geht es um den sozialen Dialog auf EU-Ebene. Sie zielt darauf ab, den sektoralen sozialen Dialog in der EU zu stärken, die Vereinbarungen zwischen Sozialpartnern zu fördern, letztere generell in die Gestaltung der EU-Politik - nicht nur bei sozialpolitischen Themen - einzubeziehen und die „technische und finanzielle Unterstützung“ der Sozialpartner zu verbessern (s. Mitteilung der Kommission und European social partners). Die europäischen Sozialpartner reagieren positiv auf diese Initiative, vor allem auf den Vorschlag für eine Empfehlung (s. Pressemitteilungen des EGB, von SMEunited, SGI Europe und Ceemet). Bei der Mitteilung gibt es dagegen Kritik. In einer gemeinsamen Presseerklärung machen die europäischen Gewerkschaftsverbände deutlich, was sie von der Kommission erwarten: 1. Sie soll „die Kriterien festlegen, nach denen die europäischen Vereinbarungen umgesetzt werden“ sollen; 2. sie soll festlegen, wer an den Ausschüssen für den sektoralen sozialen Dialog in der EU teilnehmen kann; 3. sie soll „ihre logistische und finanzielle Unterstützung dieser Ausschüsse“ aufrechterhalten und ihre politische Unterstützung verstärken (s. Pressemitteilung). Der Europäische Gewerkschaftsverband für den öffentlichen Dienst gibt in einer gesonderten Mitteilung ein vernichtendes Urteil ab. EGÖD war gegen die Kommission vor Gericht gezogen, um die Umwandlung der Vereinbarung zur Unterrichtung und Anhörung in den zentralstaatlichen Verwaltungsbehörden in eine Richtlinie zu erreichen (s. IR Notes 169 und EPSU case), (s. Mitteilung). Laut EGÖD verzichtet die Kommission nicht darauf, die Zweckmäßigkeit zu prüfen, bevor sie entscheidet, dem Rat eine europäische Vereinbarung zur Umwandlung in eine Richtlinie vorzulegen. Gewiss, die Kommission bietet den Sozialpartnern „administrative Unterstützung und Beratung in Rechtsfragen“ an und sagt ihnen zu, ihnen ihre „vorläufigen Erwägungen“ innerhalb von drei Monaten nach Erhalt einer europäischen Vereinbarung mitzuteilen. Sie wird sie über ihre Entscheidung informieren, ob sie eine Folgenabschätzung beauftragt oder nicht. Doch letztendlich trifft sie die Entscheidung allein, ohne eine Frist festzulegen, ob sie dem Rat die europäische Vereinbarung zur Umwandlung in eine Richtlinie vorlegt oder nicht. Weiterer Kritikpunkt: Die Mittel, die von der Kommission zur Unterstützung des sektoralen sozialen Dialogs bereitgestellt werden, bleiben vage. Und der Hinweis der Kommission, im Rahmen ihrer umweltpolitischen Verpflichtungen „einen neuen umweltfreundlicheren Ansatz“ bei der Organisation von Sitzungen im Rahmen des sektoralen sozialen Dialogs zu verfolgen, sprich die Möglichkeit von Videokonferenzen weiter auszubauen, beunruhigt die Sozialpartner, insbesondere die Gewerkschaften.  Allerdings fehlt dieser Initiative der Kommission noch ein Teil: Denn sie kündigt eine Modernisierung des Rahmens des sektoralen sozialen Dialogs auf EU-Ebene an sowie eine mögliche Überarbeitung des Beschlusses 98/500 der Kommission über die Einsetzung von Ausschüssen für den sektoralen Dialog. Hier böte sich die Gelegenheit für letzte Klarstellungen und vielleicht für die Einrichtung eines neuen Ausschusses für den sozialen Dialog im Bereich der sozialen Dienstleistungen, der immer noch auf das grüne Licht der Kommission wartet.



Vorhaben

Plattform-Richtlinie : Das Europäische Parlament hat am 2. Februar die Entscheidung angenommen, Verhandlungen über den Vorschlag für eine Richtlinie zu beginnen, die auf eine Verbesserung der Bedingungen von Beschäftigten auf digitalen Plattformen abzielt. Die Verhandlungen können aufgenommen werden, sobald die Mitgliedstaaten ihren eigenen Standpunkt festgelegt haben (s. Pressemitteilung und Platform work).


> Siehe auch: Beitrag von Aude Cefaliello, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Europäischen Gewerkschaftsinstitut, in der Zeitschrift Journal of Work Health and Safety Regulation: Sie unterstreicht, dass die rechtliche und finanzielle Verantwortung für die Vermeidung von physischen und psychischen Risiken auf den „Solo-Selbständigen“ läge, die aber „keine organisatorischen Mittel oder erforderlichen Befugnisse besitzen“, um diesen Risiken vorzubeugen.


Aktuelle soziale Themen

Wirtschaftliche Autonomie von Frauen : Auf einer Konferenz der schwedischen EU-Ratspräsidentschaft  (s. Pressemitteilung), erläuterte Carlien Scheele, Direktorin des Europäischen Instituts für Gleichstellungsfragen (EIGE) die direkte Verbindung zwischen dem Zugang von Frauen zu finanziellen Mitteln - mit anderen Worten, ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit - und der Geschlechtergleichstellung. Gibt es in einem Bereich eine Verbesserung, verbessert sich auch der andere, erklärte sie (s. Pressemitteilung). EIGE wird die Thematik in einem Bericht über Geschlechtergleichstellung und finanzielle Unabhängigkeit weiter vertiefen, der zur Unterstützung der belgischen EU-Ratspräsidentschaft in der ersten Hälfte 2024 bestimmt ist.


2. Mitgliedstaaten
Deutschland

Teilzeitbeschäftigung : Ein in Teilzeit arbeitender Rettungsassistent erhielt eine Stundenvergütung von 12,00 Euro brutto, während seine Vollzeit arbeitenden Kollegen beim selben Arbeitgeber eine Bruttostundenvergütung von 17,00 Euro erhielten. Das Unternehmen rechtfertigte den Unterschied mit dem geringeren Planungsaufwand für die Mitarbeitenden in Vollzeit, die sich auf Weisung zu bestimmten Diensten einfinden müssen. Im Gegensatz zu den Teilzeitbeschäftigten, die in Bezug auf Umfang und Arbeitszeit keinen Weisungen des Arbeitgebers unterliegen. Das Bundesarbeitsgericht hat befunden, dass Teilzeitbeschäftigte, die die gleiche Qualifikation besitzen und die gleiche Tätigkeit ausüben, keine geringere Vergütung erhalten dürfen als Vollzeitbeschäftigte. Die Tatsache, dass sich ein Mitarbeiter auf Weisung des Arbeitgebers zu bestimmten Diensten einfinden muss, rechtfertigt keinen höheren Stundenlohn gegenüber einem Beschäftigten, der Dienste annehmen oder ablehnen kann (s. Pressemitteilung).



Forderungen des DGB : Der wichtigste deutsche Gewerkschaftsbund DGB hat am 23. Januar seine politischen Schwerpunkte für 2023 vorgestellt. DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi (Foto) fordert einen „demokratischen Aufbruch‟ durch „einen Nationalen Aktionsplan zur Steigerung der Tarifbindung‟, um die Herausforderungen „einer Zeit, die den Menschen und der Gesellschaft so viele Veränderungen gleichzeitig abverlange‟ zu bewältigen. Indem sie das Ziel aufgreift, das in der kürzlich verabschiedeten Richtlinie über angemessene Mindestlöhne festgelegt wurde, fordert sie von der Bundesregierung sich zu verpflichten, „die Tarifbindung wieder auf mindestens 80 Prozent anzuheben‟. Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack fordert ihrerseits bedarfsgerechte Betreuungsangebote, „nicht nur für die Kleinsten, sondern auch für Schulkinder und zu pflegende Angehörige“ sowie einen bezahlten zehntätigen Urlaub für die Väter bei einer Geburt, um den Anteil der Frauen auf dem Arbeitsmarkt zu steigern. (s. Pressemitteilung).


Dänemark

Sexuelle Belästigung : Arbeitsministerin Ane Halsboe-Jørgensen (Foto) legte dem Parlament am 1. Februar einen Gesetzesentwurf vor, mit dem mehrere Initiativen einer Dreier-Vereinbarung zur sexuellen Belästigung umgesetzt werden sollen. Diese Vereinbarung wurde im März 2022 zwischen der Vorgängerregierung und den Sozialpartnern geschlossen, um sexuelle Belästigung stärker zu bekämpfen und eine gesunde Kultur am Arbeitsplatz zu fördern. Vorgeschlagen wird insbesondere eine höhere Entschädigung der betroffenen Personen in besonders schweren Fällen und eine Verbesserung der Situation von Studenten und Auszubildenden, die Opfer sexueller geworden sind. Das Gesetz soll am 1. Juli 2023 in Kraft treten (s. Pressemitteilung).


Irland

Versetzte Beschäftigte : Die Beschäftigten des Bauunternehmens Roadbridge, die nach Großbritannien versetzt wurden, verloren nur einige Monate später nach dem Konkurs des Unternehmens ihren Arbeitsplatz. Sie erhielten eine Abfindung nach englischem Recht. Vertreter der Gewerkschaft SIPTU haben erfolgreich Art. 25 des irischen Gesetzes zum Schutz gegen betriebsbedingte Kündigungen von 1967 geltend gemacht, nach dem jeder Arbeitnehmer, der länger in Irland als in Großbritannien gearbeitet hat, eine Abfindung nach irischem Recht erhalten muss - das vorteilhafter ist (s. Pressemitteilung).


Polen

  • Telearbeit : Das kraft Gesetz vom 1. Dezember 2022 abgeänderte Arbeitsgesetzbuch enthält auch Bestimmungen zur Telearbeit. In Art. 6718 ist festgelegt, dass die Arbeit ganz oder teilweise an dem Ort ausgeführt werden darf, den der Beschäftigte genannt und dem der Arbeitgeber zugestimmt hat. Regeln für die Durchführung von Gesundheits- und Sicherheitskontrollen im Rahmen der Telearbeit sind festzulegen. Der Arbeitgeber ist gehalten, den Antrag auf Telearbeit von Schwangeren, Eltern mit Kindern unter vier Jahren oder mit Kindern, die eine Behinderung haben, oder auch von einem pflegenden Angehörigen zu genehmigen - es sei denn, dies ist aus Gründen der Arbeitsorganisation oder der Tätigkeit des Beschäftigten nicht möglich. Die Telearbeit kann auf Antrag des Beschäftigten zeitweise ausgeübt werden, darf aber 24 Tage pro Kalenderjahr nicht überschreiten. Bemerkenswert ist auch, dass dieses Gesetz den Arbeitgebern erlaubt, die Nüchternheit der Beschäftigten zu kontrollieren und auch sonstige Drogentests durchzuführen.

3. Drittländer
Vereinigtes Königreich

  • Entlassung und Wiedereinstellung : Nach dem Skandal um die Fährgesellschaft P&O, die im März 2022  786 Crewmitglieder entlassen hat (s. IR Notes 182), um dann einen Teil der Belegschaft zu schlechteren Bedingungen wieder einzustellen, hat die Regierung am 24. Januar einen neuen rechtsverbindlichen praktischen Leitfaden angekündigt, um härter gegen „skrupellose Arbeitgeber und umstrittene Entlassungs- und Wiedereinstellungstaktiken  vorzugehen‟ (s. Pressemitteilung). In diesem Leitfaden ist festgelegt, dass Arbeitgeber nicht mit Kündigung drohen dürfen, um Druck auf ihre Beschäftigten auszuüben, damit diese neuen Bedingungen akzeptieren. Sie müssen „offene und ehrliche‟ Gespräche mit ihren Mitarbeitern und Arbeitnehmervertretern führen. Die Gewerkschaft Unite, die ein gesetzliches Verbot dieser Praxis fordert, übt vernichtende Kritik: Diese Initiative sei eine „Beleidigung für die Arbeitnehmer und ihre Familien“. Statt diese Praxis zu verbieten, werde den „drangsalierenden Bossen wie denen von P&O, die diese abscheuliche Taktik anwenden, um ihre Gewinne zu steigern, ein ‚praktischer Leitfaden‘ vorgelegt (s. Pressemitteilung).

4. Unternehmen
Europäische Betriebsräte

Europäische Finanzierungen : Europäischen Betriebsräten soll der Zugang zu Finanzierungen europäischer Vorhaben erleichtert werden. Das geht aus einem Urteil des Gerichts der Europäischen Union vom 21. Dezember 2022 hervor, nach dem die Kommission die Finanzierung eines Vorhabens der Beratungs- und Schulungsgesellschaft EWC Academy und der beiden EBR von DS Smith und von Mayr-Melnhof Packaging nicht ablehnen darf, weil letztere keine „Gewähr“ für ihre finanzielle Leistungsfähigkeit vorlegen können, da sie weder ein Budget, noch ein Bankkonto oder eine Bilanz vorweisen können  (s. EuG, 21. Dezember 2022, Rs. T-330.21, EWC Academy GmbH). Eine Entscheidung, die im Bericht Radtke aufgegriffen wird (s. In den Schlagzeilen): Darin wird auf die Schwierigkeiten hingewiesen, „die die Europäischen Betriebsräte beim Zugang zu der von der Kommission bereitgestellten finanziellen Unterstützung haben“, sowie darauf, „dass das Antragsverfahren dringend vereinfacht und der Verwaltungsaufwand für den Zugang zu diesen Mitteln insgesamt verringert werden muss“.



Neuer Betriebsrat : Nach einer Verhandlungsdauer von rund drei Jahren hat die Unternehmensleitung von Worldline (13.500 Beschäftigte), eine ehemalige Tochter der Atos-Gruppe, am 17. Januar eine EBR-Vereinbarung abgeschlossen. Sie enthält interessante Bestimmungen zur Sitzverteilung, indem eine Methode zur Verteilung der Sitze auf die einzelnen Länder verwendet wird, die zu einem Gleichgewicht zwischen den großen und den kleinen Ländern führt. Auch die Bedingungen, die die Einberufung einer außerordentlichen Sitzung rechtfertigen, sind beachtenswert.


5. Studien und Berichte

Ukraine : Eurofound hat kürzlich ein umfassendes Merkblatt über die Arbeitsbedingungen und Arbeitsbeziehungen in der Ukraine veröffentlicht. Ein wichtiger Beitrag, zumal der Europäische Gewerkschaftsbund, dem inzwischen die beiden großen ukrainischen Gewerkschaften angehören, in einer Erklärung die Entscheidungen der ukrainischen Regierung zur Beschneidung der Arbeitnehmerrechte und Eindämmung des Einflusses von Gewerkschaften unverblümt kritisiert. Eine Politik, die, laut EGB, für den EU-Beitritt ein Hindernis darstellt.

 


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